Beach Bunny - Honeymoon [2020]


Beach Bunny - Honeymoon

Release: 14. Februar 2020
Genre: Indie - Indie-Rock, Pop-Rock
Rating: 9/10


Es dauert nicht lang, genau genommen bis zum ersten Chorus, bis man eine Idee davon bekommt, was Honeymoon sein wird. »Part of me still wants you, part of me wants to fall asleep«, heißt es in dieser unwiderstehlichen Hook auf Promises. Es wird nicht der letzte hoffnungslos-romantische One-Liner auf dieser Platte sein, nicht das letzte Mal, dass der Sweetspot getroffen wird, irgendwo zwischen eingängigem Indie-Rock und 2000er Pop-Rock. Von da an machen sich Beach Bunny auf, den perfekten Soundtrack einer Teenie-RomCom zu schreiben und klingen, obwohl diese neun Songs das Rad nicht neu erfinden und die Welt nicht verändern, doch frisch und facettenreich.

Lieblingstrack: Promises


The Avalanches - We Will Always Love You [2020]


The Avalanches - We Will Always Love You

Release: 11. Dezember 2020
Genre: Electronic - Plunderphonics, Trip-Hop
Rating: 9/10

Mit We Will Always Love You ist The Avalanches ein drittes kohärentes Sample-Kunstwerk gelungen, das wie auch seine Vorgänger einem wundervollem Konzept folgt: Eine Reise in die Tiefen des Weltalls, untermalt von Stimmen verstorbener Künstler, die im Dunst der Zeit vergessen worden wären. Es wurde mein wichtigster Begleiter im herausfordernden Lockdown-Winter 2020/21. Eine herzzerreißende Erinnerung an eine vergangene Normalität, die einem bittersüß vor Augen führte, dass wir letztlich nur ein Spielball der Geschichte sind, ein Wimpernschlag auf diesen blauen Brocken, der durch die Unendlichkeit schwebt. 

Lieblingstrack: The Divine Chord (feat. MGMT, Johnny Marr)




(2) Was ich höre - Musik und meine Kindheit

In einer Serie, die sich mit meinem Musikgeschmack auseinandersetzten soll, muss zwangsläufig die Frage gestellt werden, wann ich begann, einen solchen zu entwickeln. Es ist irrsinnig schwer, da einen richtigen Anfangspunkt zu finden, weil es verschiedene Ansätze gibt. Man könnte in jener Phase beginnen, in der man Musik zum ersten Mal bewusst wahrgenommen hat. Man könnte nach dem Moment suchen, in dem man sich zum ersten Mal einen Songtitel gemerkt hat und allmählich entdeckte, was man mag, und was nicht. Man könnte mit der ersten selbstgekauften CD anfangen, dem Moment, in dem man ein eigenes Radio im Zimmer stehen hatte. Das alles hatte zweifellos einen Impact – und dazu kommen wir auch gleich noch – doch der alles entscheidende Moment war für mich mein erster eigener PC. Das war Ende 2007, also kurz vor meinen 13. Geburtstag. Es war mein Einstieg ins Internet, YouTube und – let's face it – Filesharing. In diesen Moment hatte ich erstmals die Möglichkeit, a) selbst aktiv zu entscheiden, was ich hören möchte, b) auf die Suche nach neuer Musik zu gehen.Alles davor würde ich als passives Musikinteresse bezeichnen. Und genau darum soll es in diesem Post gehen

Mein passives Musikinteresse - 7 bis 12 (2002 bis 2007)

Wie erwähnt, war ich in dieser Zeit von anderen Quellen abhängig, neue Musik zu entdecken und – noch wichtiger – Lieblingsmusik zu hören. Radio, Fernsehen (vor allem Musikfernsehen), Freunde und Familie, Feiern und sonstige Events, sowie Games und sonstige Medien. Trotz allem entwickelte ich eine Grundlage an musikalischen Präferenzen. Nahm Musik bewusst wahr. Und merkte mir Titel und/oder Künstler. Ich habe lange überlegt, wann und womit das alles begann. Nochmal: Ich suche schließlich nicht einfach nur Songs, die damals aktuell waren und die ich heute noch mag, sondern explizit solche, bei denen ich mir damals schon bewusst Titel und/oder Künstler gemerkt habe. Ich habe es auf drei Songs heruntergebrochen. Und diese sind dermaßen zuckersüß und harmlos, dermaßen 2000er, dass ihr bei allen »Ach Gott, wie süß!« sagen werdet.

Nummer eins: »Daylight in Your Eyes« von No Angels. Ja, ich weiß. Ich kann das alles auf meine Cousinen schieben, die die No Angels rauf und runter gehört haben, doch vor allem »Daylight« hat  sich eingebrannt. Zweiter Moment: Die WM 2002. Hier begann ich mich für Fußball zu interessieren, was wohl tatsächlich auch mit einem heute völlig vergessenen Song zu tun hat: »This Is My Time« von Sasha. Das war so ein Lied, das ich immer im Kopf hatte, wenn ich den Ball zur Hand nahm, und versuchte, das Musikvideo nachzuspielen. Als drittes muss ich dann wohl anerkennen, dass auch Deutschland Sucht Den Superstar im Winter 2002/03 einen derartigen Eindruck hinterlassen hat, dass ich den Staffelsong »We Have a Dream« unbedingt auf CD haben wollte.

Dieses seltsame Trio hat also dafür gesorgt, dass ich von nun an mehr und mehr darauf achtete, welche Musik mich umgab. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ich schon während meiner Grundschulzeit (bis 2005) viele Trends mitbekam. Das mag auch daran liegen, dass ich einen älteren Bruder sowie – wie gesagt – drei ältere Cousinen habe, die allesamt in den 2000ern ins Teenager-Alter kamen, MTV und Viva schauten, was ich dann wiederum auch tat. Als zweite individuelle Prägung würde ich Gaming-Soundtracks nennen, obwohl die bei mir nur sehr rar gesät sind. Im Grunde kann ich das auf folgende Spiele runterbrechen: FIFA 2005, Fifa Street 2 (2006/07) und Tony Hawk Pro Skater (2000). Später, in meiner Gymnasialzeit, hatten viele Klassenkameraden schon früher Zugang zu Musik und prägten mich damit auch.

Ich habe mal versucht, die wichtigsten Titel zusammenzutragen. Nochmal: Ich wollte nicht einfach nur Songs sammeln, die mich in meine Kindheit zurückversetzen und einen Nostalgiebonus haben. Ich suche solche, zu denen ich mich schon damals aktiv hingezogen fühlte. Das ist sicherlich nicht so einfach zu erfassen. Es beruht auf komplett subjektiven Entscheidungen und möglicherweise auch auf falschen Erinnerungen. Ich habe es trotzdem probiert. Eine Möglichkeit war z.B., sich meine Lieblingsliederlisten anzuschauen, da sich einige Songs darin befinden, die ich nicht erst mit 13 / 2008 entdeckt habe. Zudem lag es nah, auf die Charts der damaligen Zeit zu blicken und sich daran zu erinnern, was schon damals eine gewisse Bedeutung für mich hatte.

Das Ergebnis ist eine Playlist von 50 Songs, die allesamt die Phase meines »Passiven Musikinteresses« entsprangen. Schauen wir doch mal genauer rein:

Genre

Anteil

Pop

52 %

Alternative

30 %

Indie

14 %

Electronic

4 %

Meine größte Prägung erfuhr ich – das ist wenig überraschend – durch die Pop-Musik der 2000er Jahre. (Überhaupt gab es nur 3 Songs, die nicht in den 2000ern sondern Ende der 90er erschienen sind, über sehr viel Airplay aber trotzdem den Weg zu mir fanden.) Zwar habe ich Alternative und Indie nochmals extra notiert, doch zweifellos sind auch bei den unter dem »Pop«-Label gefassten Songs große Einflüssen aus diesen Genres zu erkennen. Nehmen wir Avril Lavigne und Kelly Clarkson (mit dem Album Breakaway), die nicht nur zwei der größten Popstars des Jahrzehnts waren, sondern auch mich sehr beeinflusst haben. Ganz besonders hervorheben möchte ich hier Clarksons Welthit Since U Been Gone.


Die Indie/Alternative-Einflüsse, dann dieser unwiderstehliche Power-Pop-Chorus – der Song war zweifellos so etwas wie ein Richtungsweiser, ein Template für das, was ich als perfekten Song bezeichnen würde.

Zur selben Zeit, um 2005, waren Green Day mit ihrem Album American Idiot (bzw. sämtlichen Singles) ungemein populär, und ich war immer sehr erfreut, sie im Radio zu hören oder auf MTV zu sehen. Weitere Alternative-Songs, die ich damals schon sehr mochte, waren In The Shadows von The Rasmus, I Just Wanna Live von Good Charlotte oder auch Red Flag von Billy Talent. Und – man kann es drehen und wenden wie man will – auch Nickelback waren mit ihrem eingängigen Post-Grunge verdammt prägend.


International – so lässt sich grob zusammenfassen – erreichte mich also ein Mix aus Alternative Rock und Pop-Rock. Nicht, dass ich den populären Hip-Hop oder auch R'n'B dieser Zeit nicht wahrgenommen hätte – ich habe Gitarrenmusik einfach viel mehr gemocht. Ein Trend, der auch bei den deutschsprachigen Bands zu erkennen ist. So lösten Wir Sind Helden und Juli Mitte der 2000er einen Hype um Deutsch-Rock aus, der mich sehr prägte. Auch dass ich – hier kommt wieder mein Fußballinteresse ins Spiel – sehr an der Musik der Sportfreunde Stiller interessiert war, würde ich hier mit erwähnen, wenngleich letztlich keiner ihrer Songs in der Playlist gelandet ist. Sicherlich haben sie alle mir als Gitarrenbands den Weg ins Indie-Rock-Spektrum geebnet. Internationale Bands wie Snow Patrol, Rooney und Kaiser Chiefs hatten Mitte der 2000er allesamt große Radio-Hits.

Was sich also sagen lässt: Wenn Indie und Alternative damals nicht einen derartigen Hype erlebt hätten, dann sähe mein Musikgeschmack heute sicher ganz anders aus. 

Das war ein erstes kleines Gedankenexperiment. Ein Spiel mit dem eigenen Erinnerungsvermögen. Eine grobe Übersicht über Trends, die mich geprägt haben könnten. Im nächsten Teil widme ich mich meinem aktiven Musikinteresse und der Suche nach meiner Nische.

(1) Was ich höre – Eine viel zu detaillierte Abhandlung über die Entwicklung meines Musikgeschmacks

»Was hörst du?«

Ihr könnt mit doch nicht so eine Frage stellen. Ich meine, klar, die kürzeste Antwort könnte lauten: »Im Prinzip alles«, aber das ist die altbekannte Scheißantwort, die niemanden zufriedenstellt. Besser ist vielleicht: »Ich kann in jeder Musikrichtung was für mich finden, doch zu großen Teilen bin ich im Indie/Alternative-Spektrum zuhause.« Gähn.

Ich gebe hier im Blog keine kurze Antworten. Ich philosophiere ewig lange, viel zu detailliert über Dinge, die die Welt nicht bewegen – mich aber schon.

Was ich höre, wollt ihr wissen?

Nun, es kommt ja schon mal ganz doll darauf an, wann mir diese Frage gestellt wird. Mein Musikgeschmack verändert sich ständig. Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunfts-Olli haben da ganz unterschiedliche Auffassungen. Vielleicht wird das alles in einigen Jahren etwas konstanter sein, doch gerade befinde ich mich mitten in einer gigantischen Entdeckungsphase. Und das ist schon ein ganz gutes Stichwort, denn ich möchte nicht nur der Frage nachgehen, wie sich mein Musikgeschmack so ungefähr klassifizieren lässt, sondern auch den Weg nachvollziehen, der hierhergeführt hat. Warum höre ich das, was ich höre? Welche Wegmarken gab es? Wie hat sich mein Genre-Fokus verändert?

Eine erste Ortsbestimmung

Sicherlich gibt es offizielle Tools, mit denen sich eine gesamte Spotify-Bibliothek analysieren ließe, aber ich habe mich dazu entschieden, einen etwas analogeren Weg zu gehen. Wie ich in einem früheren Post erläutert habe, arbeite ich mit einer Musik-Datenbank, in der ich Elemente eingebaut habe, mit deren Hilfe ich ziemlich genau definieren kann, was ich als meine Lieblingsmusik betiteln würde (ergo: was ich höre). Da haben wir auf Ebene der Songs meine Favoritos-Playlist, die knapp 600 Songs enthält und jährlich aktualisiert wird. Meine Lieblingsalben – die ich mit meinem eigenen Score identifiziert habe – sammle ich in meiner Hall of Fame, die inzwischen auch schon weit über 300 Platten zählt.

Diese Listen erfassen also nicht genau das, was ich gegenwärtig höre, sondern was sich langfristig – in all der Zeit, die ich bewusst Musik höre – eingebrannt hat. Das ist ein wichtiger Faktor. Nicht jeder Trend hält an. Manches ist in meiner Gunst gesunken und treibt mir heute eher die Schamesröte ins Gesicht, während anderes all jenen Veränderungen widerstand und sich auch über einen bloßen Nostalgie-Bonus hinaus noch gut anhört.

Als erstes möchte ich herausfinden, welche Genres hier dominant sind. Womit wir bei einer nächsten Problematik wären: die Genre-Einteilung. Da geht natürlich jeder mit eigenen Maßstäben ran. Schon der Auswahl lässt sich erkennen, wo mein Fokus liegt. Ich für mich unterscheide acht Klassifizierungen:

  • Pop
  • Rock
  • Alternative Rock
  • Indie
  • Electronic
  • Hip-Hop
  • Soul / R'n'B
  • Andere

Ich sollte da ein bisschen was erklären. Mit »Rock« meine ich den klassischen Begriff. Classic Rock, Blues Rock, Rock and Roll, Glam Rock und Hard Rock, Folk Rock sowie modernere Ausführungen.  »Alternative Rock« meint solche Rock-Genres, die sich vom klassischen Rock abgewandelt haben, dazu zählen Punk und Punk-Rock ab Ende der 70er, Post-Punk, New Wave, Grunge, Britpop und moderne Spielarten. So weit gibt uns die Musikgeschichte die Grenzen vor. Nun hebe ich aber »Indie« noch als eine weitere Abspaltung ab etwa 1990 hervor. Warum?

Eine Zusammenfassung als »Indie/Alternative« wäre sicherlich einfacher (so macht das glaube ich auch Google), doch für mich ist das weniger zielführend. »Indie/Alternative« wäre das mit Abstand größte Genre und würde das gesamte Spektrum von, sagen wir mal, Die Ärzte bis Bon Iver beinhalten. Macht nicht so viel Sinn. Darum unterscheide ich ab 1990 die in den Mainstream durchgebrochenen Alternative-Trends (Britpop, Grunge und Punk-Rock sowie davon abgeleitete Weiterentwicklungen) von neuen Underground-Spielarten wie Lo-Fi-Indie sowie der Indie-Rock der 2000er, der mit Aufkommen des Internets die Grenzen zwischen Mainstream und Underground weiter verwischte. Kurz gesagt, empfinde ich Indie heute als softer und verspielter, leichtfüßiger.

Auch der »Pop«-Begriff ist zu hinterfragen, weil es neben einer groben Genre-Klassifizierung auch den Mainstream-Aspekt aufnimmt. Es ist höchst subjektiv. Nehmen wir einen Song wie »Boulevard of Broken Dreams« von Green Day, der seinerzeit ein Riesen-Hit war, ergo auch als »Pop« gelten könnte, doch das Bild arg verzerren würde. Für mich sind Green Day klar Punk-Rock/Pop-Punk und daher bei »Alternative« einzuordnen. Andererseits gibt es aber eine Band wie Coldplay, die doch eher ins »Pop«-Tier schieben würde, als zu »Indie«. Ihr seht also schon: Diese Einteilung ist alles andere als perfekt. Trotzdem stellt sie meinen Musikgeschmack doch ziemlich gut heraus.

 

Alben

Songs

Alternative

28 %

24 %

Indie

24 %

19 %

Pop

20 %

28 %

Rock

11 %

8 %

Electronic

9 %

11 %

Hip-Hop

6 %

7 %

Andere

2 %

3 %

 Grundsätzlich lässt sich wohl sagen, dass Alternative meine liebste Musikrichtung ist, vor allem im Bezug auf Alben. Den zweiten Platz teilen sich Indie und Pop, wobei Pop in Form von Einzelsongs stärker ist. Den vierten Platz teilen sich Rock und Electronic, wobei Rock auf Alben-Ebene stärker ist. Hip-Hop steht solide auf Platz 6. Weitere Genres sind eher irrelevant.

Die zweite Frage, die ich an meine Favoritos und meine Hall of Fame stellen möchte, ist das Wann. Wann erschien die Musik, die ich mag? 

 

Alben

Songs

2010 – aktuell

48 %

48 %

2000er

25 %

29 %

1990er

15 %

11 %

1980er

4 %

4 %

1970er

4 %

5 %

1960er und früher

3 %

2 %

Ich muss hier erwähnen, dass ich im Januar 1995 geboren bin. Somit offenbaren beide Listen keine besonders spektakuläre Erkenntnis: Ich tendiere klar zu aktueller Musik bzw. solcher Musik, die zu meinen Lebzeiten erschienen ist. Zirka Dreiviertel fallen in den Zeitraum, den ich bewusst wahrgenommen habe. Es wird spannend zu sehen sein, wie sich dies im neuen Jahrzehnt entwickeln wird, und ob ich irgendwann an einen Punkt ankomme, wo ich den Bezug zu aktueller Musik verliere.

So nett das Ganze jetzt als erste Orientierung auch war, wirklich aussagekräftig ist das alles noch nicht. In den nächsten Posts möchte ich herausfinden, wie es dazu kam. Möchte meinen Musikgeschmack im Zeitverlauf nachvollziehen, Trends erfassen und ein bisschen in Erinnerungen schwelgen. 

Bis zum nächsten Mal!

(5) Zu – viel – Zeit: Eine Entdeckungsreise durch die Musikgeschichte

Man kann durchaus behaupten, dass ich in den vergangenen zwei Jahren im Wahn war. Es war die große Album-Explosion von 2019/2020.

Dabei begann alles ganz harmlos, mit einer simplen Idee: Warum höre ich nicht einfach mal die großartigsten Alben aller Zeiten? Also die, auf die sich die Kritikergemeinde einigen kann. Die man einmal gehört haben MUSS. Auch hier gibt es einige Listen, auf die man zurückgreifen kann. Die Rolling Stones Top 500 ist sicherlich die bekannteste. Dazu hat jede größere Musikseite auch Dekaden-Specials, z.B. NME oder Pitchfork (ich stimme im Allgemeinen eher mit NME überein, aber das ist nur mein Geschmack). Auch in kleineren Internet-Communities wie besteveralbums bekommt man schnell einen guten Eindruck über das, was so allgemein als besonders »hörenswert« empfunden wird.

Wenn man gerade erst so richtig anfängt, wird man völlig entsetzt feststellen, dass man ziemlich wenig kennt. Aus der besteveralbums-Top-50, als Beispiel, kannte ich bis vor zwei Jahren genau 2 Alben. ZWEI von FÜNFZIG!

Sicher, solche Listen sind nicht alles. Aber wenn man einigermaßen »mitreden« können möchte, und wenn es nur ein »Diese Listen sind völlig hirnrissig« ist, dann sind zwei von fünfzig schon erbärmlich. Und darunter ist nicht nur altes Zeug aus ewig vergangenen Jahrzehnten.

Da war mein Kampfgeist geweckt. 100 solcher Alben, so mein Vorsatz, wollte ich im Jahr 2019 hören. Einfach mal eintauchen, geduldig sein, wiederholen, bis man sich eine Meinung gebildet hat. Ich erstellte mir eine große Liste. Gleich verteilt auf sechs Jahrzehnte. Zumindest die Anfänge dieses »Experiments« sind ja auch im Blog noch nachzulesen.

Ich habe es durchgezogen. Und nicht nur das. Die Hemmung, einfach mal Dinge auszuprobieren, verschwand. Die Liste wurde mit der Zeit immer länger. Drum herum, alles was mich irgendwie ansprach, nahm ich auf.

Ihr werdet euch sicher auch schon gedacht haben: Alter, hast du kein Leben? Du hast viel zu viel Zeit!

Und das stimmt zu einem Teil ja auch. Aber dieses Album-Hören lässt sich eben auch recht gut in den Alltag integrieren, besser jedenfalls als ich anfangs dachte. Auf dem Weg zur Uni oder zur Arbeit, zurück – theoretisch reicht das schon für zwei Albumdurchläufe. Oder beim Abwaschen. Putzen. Einkaufen gehen. Nicht zuletzt hat es mir natürlich die Corona-Pandemie und der Lockdown noch viel einfacher gemacht, eine riesige Masse zu hören. Eine Masse, für die es sonst wohl mehrere Jahre gebraucht hätte.

Ich weiß leider nicht mehr genau, um welchen Wert die Datenbank in diesen zwei Jahren genau angewachsen ist. Ich kann es aber grob hochrechnen, denn für meine Hall of Fame weiß ich es genau. Von den 304 Alben in meiner Hall of Fame kannte ich 180 bis vor zwei Jahren noch nicht. Zieht man die 44 Alben ab, die auch erst in 2019 und 2020 erschienen sind, bleiben immer noch 136 Alben, also 44 Prozent der Hall of Fame. Wir wissen, dass ungefähr 25 Prozent aller Alben, die ich höre, hier landen. Da es sich um objektiv besonders gute Album handelt, können wir den Wert etwas höher legen, auf ein Drittel. Selbst so landen wir bei über 400 Alben, die ich in diesen zwei Jahren ungefähr gehört habe – aktuelle Releases wohlgemerkt nicht einberechnet. Das ist schon ziemlich heftig.

Inzwischen ist das Ganze immer systematischer und methodischer geworden. So versuche ich die Zahl der Einzelsongs in meiner Bibliothek zu verkleinern, indem ich die dazugehörigen Alben höre. Oder ich gehe über Künstler-Diskographien. Zudem setze ich mir nun für jedes Jahr bestimmte Richtwerte, die mit Nähe zur Gegenwart natürlich immer größer werden. Von bis zu 75 in den 2010ern, über 20 zu Beginn der 2000er hin zu der runden 10 für die 60er, 70er, 80er. Meine Reise durch die Jahrzehnte ist also noch lange nicht am Ende.

Ja, ich verbringe viel zu viel Zeit damit. Aber die braucht es auch. Denn es gibt auch viel zu viel Zeiten und Dekaden zu entdecken gilt.

Und auch die Datenbank an sich ist noch nicht fertig.

Was, dachtet ihr, das war's schon?

Nein. Es gibt noch vieles auszuprobieren. Ich habe noch viele Ideen, wie sich das alles noch ausbauen lässt. See you next time.